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Aktuell

Europa steht vor der Erteilung von hunderten neuen Patenten auf Saatgut. Auch Züchter:innen, die keine Gentechnik anwenden wollen, werden dabei zunehmend durch Patente auf die «Neue Gentechnik» bedroht. Gegen diese Entwicklung hat die Allianz Keine Patente auf Saatgut! am 13. Oktober mit der Übergabe von 38 leeren Bierflaschen an das Europäische Patentamt (EPA) in München protestiert. 38 Flaggen in den Flaschen repräsentieren die Vertragsstaaten des EPA, deren VertreterInnen am Tag des Protestes an einem Treffen des Verwaltungsrates teilnahmen, der eigentlich für die korrekte Auslegung der europäischen Patentgesetze verantwortlich ist, das Problem bisher aber nicht lösen konnte.

Laut Europäischem Patentgesetz dürfen nur technische Verfahren patentiert werden. Dagegen ist die Nutzung von «im Wesentlichen biologischen Verfahren» nicht patentierbar. Das EPA aber setzt zufällige Mutationen mit Gentechnik gleich und hat auf dieser Grundlage auch bereits mehrere Patente auf konventionell gezüchtete Braugerste erteilt.

«Das EPA hat mit der Gleichsetzung von Gentechnik mit zufälligen genetischen Veränderungen ein Scheunentor zur Umgehung der bestehenden Verbote geöffnet. In Reaktion vermischen die Konzerne in den Patentanträgen immer öfter technische und nicht-patentierbare Verfahren, um ihre Patentmonopole auch auf die traditionelle Zucht auszuweiten», sagt Verena Schmitt vom ebenfalls in der Allianz aktiven Umweltinstitut München.

Im Juni 2021 hatte das EPA ein Patent auf Braugerste (EP 2373154) endgültig bestätigt und die Pflanzen zur technischen Erfindung erklärt. Dabei stammt die Gerste, die von der Firma Carlsberg zum Patent angemeldet wurde, aus herkömmlicher Züchtung und nicht aus gentechnischen Verfahren. Laut den europäischen Patentgesetzen sind ausschliesslich technische Verfahren, wie sie in der Gentechnik eingesetzt werden, patentierbar. Das Patentamt ignoriert aber diese rechtlichen Vorschriften. Nach einem vom Präsidenten des EPA verfassten Dokument werden zufällige Mutationen gentechnischen Verfahren gleichgestellt. Diese Rechtsauslegung kam auch bei der Entscheidung über das Patent auf Gerste zur Anwendung.

«Unsere Recherchen zeigen, wie Bayer, Corteva, BASF, die Kleinwanzlebener Saatzucht (KWS) und Carlsberg versuchen, die bestehenden Verbote systematisch zu umgehen», sagt Dagmar Urban von ARCHE NOAH, als Allianz-Mitglied ebenfalls Protestteilnehmende.

Tatsächlich wird in vielen Patentanträgen gar nicht mehr zwischen Gentechnik und konventioneller Züchtung unterschieden. Stattdessen werden im Antrag viele Pflanzen mit bestimmten genetischen Eigenschaften beansprucht, unabhängig davon, mit welchen Methoden die Eigenschaften erzeugt wurden. Dabei wird unter anderem darauf verwiesen, dass man mit Verfahren wie CRISPR/Cas theoretisch auch genetische Veränderungen herbeiführen kann, wie sie durch konventionelle Züchtung erreicht werden. Werden die Patente erteilt, erstrecken sie sich auf alle Pflanzen (oder Tiere) mit den beschriebenen Eigenschaften, unabhängig davon, wie sie erzeugt wurden.

Wie die Patentanträge auf Gerste zeigen, sind die rechtlichen Unsicherheiten und die Kosten, die durch die derzeitige Situation verursacht werden, so gross, dass die konventionelle Züchtung neuer, verbesserter Sorten blockiert wird. Ökologische und konventionelle ZüchterInnen können so um den Erfolg ihrer jahrzehntelangen Arbeit gebracht werden.

Die Koalition No patents on seeds hat einen neuen Bericht zum Thema veröffentlicht: Patente auf CRISPR & Co. bedrohen traditionelle Züchtung

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